Beyond Travel Erlebnisreisen und Reiseberatung - Seite 5

Die Eiserne Seidenstrasse – Teil 3/4

Strecke: Moskau-Nukus
Fahrzeit: 59:25
Distanz: 2786 km

In der zweiten Etappe unserer Zugreise haben wir Kiev und Moskau besucht. Nun sind wir in einem modernen Nachtzug unterwegs, welcher uns in die Wolgastadt Saratov bringt. Sehenswürdigkeiten gibt es zwar kaum, aber die Leute sind freundlich und auf dem Markt können wir unsere Vorräte für die nächste lange Zugsreise auffüllen. Auf der Lebensader Wolga navigieren grosse Frachtschiffe, welche man eher im Meer vermutet hätte und zahlreiche Eisschollen treiben noch im Wasser: Der Winter ist noch deutlich präsent.

Im Zug von Saratov nach Nukus verbringen wir etwas mehr als 45 Stunden. Da es sich um einen usbekischen Zug handelt, herrscht bereits eine etwas zentralasiatische Atmosphäre, welche mit den Schneeflecken und typisch russischen Holzhäusern vor dem Fenster kontrastiert. Das Personal versorgt uns stets mit heissem Tee, einfachen Mahlzeiten und etwas unbeholfenen Hand-und-Fuss-Gespächen – wir sie im Gegenzug mit Schokolade. Voll wird der Zug erst ab Atyrau in Kasachstan. Unglücklicherweise sind die Grenzübergänge stets mitten in der Nacht, so dass man stets bis zu vier Mal aus dem Schlaf geweckt wird (Ausreise, Zoll, Einreise und wieder Zoll). Ansonsten ist die Fahrt angenehm und der Zug immer pünklich. Mit der Zeit werden verbliebene Flecken Schnee abgelöst von grösser werdenden Sanddünen und der Eiswind von sandigem Wüstenwind. Die Zeit vergeht erstaunlich schnell und kurzweilig.

Nukus in der zu Usbekistan gehörenden autonomen Republik Karakalpakstan ist eine etwas gesichtslose Stadt am Amu-Darya, einer der zwei Zuflüsse zum Aralsee. In der Stadt führt er noch etwas Wasser, aber für die Bewässerung der Felder wird so viel abgeleitet, dass schliesslich kaum mehr etwas im See ankommt. Am ersten Abend in Nukus besuchen wir ein Lokal, wo es gutes Fassbier geben soll. Schon bald ist jedoch das Fass leer und gerade als wir gehen wollen, steigt ein Mann aus einem Taxi, der uns auf Englisch anspricht. Er sei von den zwei Herren am Nachbartisch angerufen worden, die sich gerne mit uns unterhalten möchten, aber selbst kein Englisch sprechen. Wir gehen schliesslich zusammen in ein anderes Lokal und plaudern eine Weile über die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Länder, wobei der Übersetzer kaum nachkommt alle Fragen zu übersetzten. Diese Episode steht auch beispielhaft für die vielen typischen Begegnungen in Zentralasien, die nicht zuletzt diese Weltregion so spannend machen.

Am zweiten Tag fahren wir nach Moynaq, ehemals eine der zwei wichtigsten Hafenstädte am Aralsee. Unterdessen ist das Ufer jedoch mehr als hundert Kilometer von der Stadt entfernt. Mit dem Wasser verschwand auch die florierende Fischwirtschaft und zurück blieb nicht viel mehr als Salz und pesitizidverseuchter Staub vom ehemaligen Seegrund sowie alte Fischkutter, die nun auf dem Trockenen vor sich hin rosten. Abends versuchen wir die bedrückende Geschichte etwas zu vergessen und besuchen ein Restuarant, welches sich als Kreuzung zwischen Restaurant und Disco herausstellt. Der Speisesaal ist mit vielen grell bunt blinkenden Lichtern dekoriert und mindestens einmal pro Stunde gibt es eine halbe Stunde laute Musik um zu tanzen. Die wilden Lichter wären wohl für Epileptiker der pure Albtraum, aber wir finden die Kombination von Schaschlik, Salat, Vodka und Tanz durchaus interessant…

 

 

Nächstes Mal: Usbekistan von West nach Ost und Begenungen in Tadschikistan.

Die Eiserne Seidenstrasse – Teil 2/4

Strecke: Kiev-Moskau
Fahrzeit: 09:58
Distanz: 872 km

In der ersten Etappe unserer Zugreise sind wir von Zürich nach Kiev gereist. Kievs Innenstadt verfügt über prächtige Häuser und bunte Kirchen mit goldenen Kuppeln. An diesem Sonntag, eine Woche vor dem orthodoxen Osterfest, tragen viele Passanten zudem traditionelle Weidenzweige mit sich. Das Gesamtbild ist also äusserst ruhig und friedlich. Wir besuchen das Tschernobyl-Museum, sowjetische Kriegsdenkmäler und die gigantische Statue der „Mutter der Nation“, deren Schwert nachträglich gekürzt wurde, damit sie die nahegelegene Kathedrale des Lavra-Komplexes nicht überragt. In letzterem Komplex gibt es übrigens auch eine Ausstellung sogenannter „Mikro-Miniaturen“, unglaublich kleine Kunstwerke, wie zum Beispiel ein komplettes Schachspiel auf einem Nagelkopf oder goldene Hufeisen an den Füssen eines echten Flohs. Die Metro ist tief, schnell und billig und bringt uns effizient zu köstlichen, wärmenden und ebenso billigem Borschtsch, Speck und Bier.

Aber auch die Spuren der „Euromaidan“-Proteste von 2013-2014 sind noch gut sichtbar: Blumen, Kerzen, Fotos von Verstorbenen, aufgemalte Körperumrisse wo Demonstranten erschossen wurden, mitten im Zentrum der Stadt. Das ganze ergänzt mit Fotos gefallener aus der Ostukraine und Kundgebungen zum Krim-Konflikt. Viele Elemente des Stadtbilds, wie Säulen oder Zäune, sind frisch blau-gelb gestrichen und an Ständen gibt es anti-Putin-Souvenirs zu kaufen. Im Nationalmuseum zeigen junge Filmemacher Kurzfilme aus dem Donbass (#Babylon’13), unsere Begleiterin Natalija übersetzt das wichtigste. In einem Park stehen drei gekaperte Russische Militärfahrzeuge als Beweisstücke, dass Russland im Krieg im Osten eine aktive Rolle spielt.

Im Nachtzug über die Grenze nach Russland werden unsere Pässe bis ins letzte Detail geprüft. Ansonsten verläuft die bequeme Fahrt ereignislos. Den ersten Tag in Moskau verbringen wir mit dem Besuch der bekannten Sehenswürdigkeiten der Innenstadt, wobei wir auch an einem Meer von Schnittblumen und einer Ansammlung von Menschen vorbeikommen: Die Stelle wo kürzlich der Oppositionsführer Boris Nemtsov getötet wurde, in unmittelbarer Nähe des Kremls. Die Russische Hauptstadt ist eine lebendige Mischung von Prunkbauten aus der Zeit des Zarenreichs, Symbolen der Sowjetunion und modernen, westeuropäisch anmutenden Orten wie der ehemaligen Schokoladefabrik „Roter Oktober“ voller Hipster-Cafés und Künstlertreffs.

Am zweiten Tag fahren wir hinaus zum Raumfahrtsmuseum, wo unter anderem eine originale Landekapsel und ein begehbares Modell der Raumstation Mir ausgestellt sind. Ganz in der Nähe befindet sich das VDNCh: Eine Art permanente Weltausstellung der Sowjetunion – eine fantastische Zeitreise durch prunkvolle Länderpaläste und andere Denkmäler. Aber auch ein Einblick in die aktuelle Russische Aussenpolitik wird geboten; So wurde beispielweise Abchasien1 eine kleine Kulturausstellung gewährt und die Installation „Material Evidence. Donbass. 365 Days ATO“ widmet sich dem Krieg im Donbass2: Aufwändig wurden Kriegsschauplätze nachgebaut – zerstörte Häuser, ein Lazarett, ein zerschossener Kleinbus. Alles ohne Erläuterungen aber sehr emotional und mit der impliziten Grundaussage „Seht, wie die armen Menschen dort unter den Angriffen der Ukrainischen Armee leiden“. Nur den „material evidence“, dass tatsächlich die Ukraine der Aggressor ist, bleibt die Ausstellung schuldig. Aber es ist interessant, innerhalb zweier Tage die Sicht beider Konfliktparteien sehen zu können. Zudem bleibt bis Tadschikistan – der Reichweite der Russischen Nachrichtensender – der Ukrainekonflikt weiterhin tägliches Hauptthema in den Medien. Und viele sind erstaunt, wenn sie erfahren, dass wir durch die Ukraine gereist sind: „Aber herrscht denn dort nicht Krieg?“

1 Abchasien ist je nach Sichtweise eine abtrünnige Provinz Georgiens oder ein unabhängiger Kleinstaat und wird von Russland unterstützt. Wir haben die Region auf unserer Pioneer Tour 2014 besucht.

2 Artikel der FAZ zur Ausstellung

 

 

Nächstes Mal: Von Eisschollen zu Sanddünen mit dem Zug durch drei Länder.

Die Eiserne Seidenstrasse – Teil 1/4

Zentralasien ist eine faszinierende Region und noch interessanter ist es, wenn man mit dem Zug anreist. Alles was man dafür braucht sind eine Handvoll Visa und etwas Zeit. So erreicht man beispielsweise ab Zürich nach läppischen 6954 Schienenkilometern, 9 Ländern und nur 5 Tagen, 2 Stunden und 11 Minuten reiner Fahrzeit bereits die Stadt Samarkand in Usbekistan. Diese Reise habe im April mit ein paar Freunden unternommen und möchte sie euch natürlich nicht vorenthalten: Ein Erlebnisbericht in vier Teilen von der Schweiz nach Tadschikistan.

 

Strecke: Zürich-Kiev
Fahrzeit: 31:55
Distanz: 2283 km

Das montone Rattern der Eisenbahnwagen beginnt am Zürcher Hauptbahnhof und wird uns noch lange begleiten. Unser erstes Zuhause ist der EuroNight nach Budapest. Da am nächsten Tag Karfreitag ist, ist er voll besetzt – viele Ungaren, die über die Feiertage nach Hause fahren, aber auch junge Schweizer Touristen machen es sich gemütlich. Für uns bildet der Zug die erste Etappe einer längeren Einsenbahnreise nach Zentralasien: Die eiserne Seidenstrasse.

Budapest empfängt uns an einem schönen, aber kalten Frühlingsmorgen. Ein Spaziergang gibt uns einen Grobüberblick über die Stadt: Burghügel, Donau, Kettenbrücke, Markthalle. Wir gehen den Tag gemächlich an und entspannen am Nachmittag im wunderschönen Szechenyi-Bad. Irgendwie haben wir das Gefühl, das solch angenehme Bademöglichkeiten in naher Zukunft rar werden könnten… Am Abend führt uns ein alter Freund durch das angesagte jüdische Viertel mit seinen zahlreichen Bars und Restaurants: Vom Ruinenbar-Pionier Szimpla über die stationären Food Trucks des Karaván zur modernern Ruinenbar Anker’t und dem Club Instant. Eine Ruinenbar ist ein in Budapest sehr erfolgreiches und oft kopiertes Konzept und besteht aus einer oder mehreren Bars in einem verlassenen und nur grob zurechtgemachten Gebäude, gerne auch teilweise unter freiem Himmel. Oft entsprechend künstlerisch und alternativ angehaucht, aber mit seinem „shabby chic“ sehr zeitgemäss und mit oft ausgefallenen Dekorationen.

Nächstentags bringt uns eine lange Zugfahrt mit Halt an unzähligen kleinen Stationen quer durch die Ungarische Ebene nach Záhony an der Ukrainischen Grenze. Von dort fährt ein einzelner Wagen die kurze Strecke über die Grenze nach Chop, wo der Bahnhof gleich unverkennbaren Sowjet-Charme versprüht. Der Nachtzug nach Kiev schliesslich schlängelt sich durch die malerischen verschneiten Berglandschaften der Karpaten bevor wir einschlafen…

 

Nächstes Mal: Kiev, Moskau und zwei unterschiedliche Sichtweisen auf den selben Konflikt.

Kompliziert-Britannien

Im August fliegen wir auf die Britische Kanalinsel Guernsey und freuen uns schon sehr darauf! Nicht nur geographisch, sondern auch politisch ist die Insel ein Sonderfall: Als britischer Kronbesitz gehört sie weder zum Vereinigten Königreich noch zur EU. Hättest du das gewusst? Und kennst du die Unterschiede zwischen Grossbritannien, dem Vereinigten Königreich und den Britischen Inseln? Zugegebenermassen mussten auch wir unser Wissen im Rahmen der Reiseplanung etwas auffrischen. Dabei sind wir auf das folgende Video gestossen, welches den komplizierten Sachverhalt gut und unterhaltsam erklärt:

Es gibt also in Zukunft keine Ausrede mehr, die verschiedenen Begriffe zu verwechseln. Und das Risiko durch eine falsche Aussage in einem britischen Pub in eine Schlägerei zu geraten ist nun auch eliminiert…

Beyond Tastes – Unsere Entdeckungen für deine Küche

Etwas vom schönsten ist es für uns, auf Reisen die lokalen kulinarischen Spezialitäten zu probieren und neue Geschmäcker zu entdecken. Das Essen ist ein zentraler Teil fast aller Kulturen und wiederspiegelt wunderbar die Charakteristiken von Natur und Tradition – und ist meist ein Genuss! Dabei stossen wir immer wieder auf Produkte, die uns begeistern und die wir gerne auch zu Hause geniessen würden. Obwohl die Schweiz im Allgemeinen sehr gut versorgt ist, sind des öftern solche darunter, die bei uns gar nicht, nur schwer oder nur in minderwertiger Qualität erhältlich sind. Diese Lücke möchten wir schliessen und lancieren zum zweijährigen Geburtstag von Beyond Travel eine neue Produktlinie: Beyond Tastes. Unter dieser Linie importieren und vertreiben wir sorgfältig ausgewählte Qualitätsprodukte, die in der Schweiz so noch nicht erhältlich sind. Bestellen kann man die Produkte in unserem neuen Webshop.

Als erstes Produkt haben wir die Chilenische Gewürzmischung Merkén ausgewählt, welche wir 2013 während unserer Pioneer Tour entdeckt haben. Sie besteht aus getrocknetem und geräuchertem “cacho de cabra” (Ziegenhorn) Chili, Koriandersamen und Pazifiksalz.

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Merkén (manchmal auch Merquén genannt) wird in jahrhundertealter Tradition in kleinen Familienbetrieben in Handarbeit hergestellt. Die grün geernteten Chilischoten lässt man nachreifen, bis sie ihre tiefrote Farbe erhalten. Danach werden sie an der Sonne getrocknet, über dem Holzfeuer geröstet und vollständig mit einem Steinmörser zerstossen. Das pulverisierte Chili wird nun weiter mit den Koriandersamen und Salz verrieben. Durch die Röstung der Chilischoten über dem offenen Feuer erhält die Mischung ihr charakteristisches Raucharoma.

Schon seit Jahrhunderten findet die Gewürzmischung in der traditionellen Küche der Mapuche ihre Anwendung. Die Mapuche sind ein indigenes Volk aus der Araucanía-Region, rund 800 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago. Sie verwendeten die Mischung ursprünglich hauptsächlich zum Würzen von Käse und Nüssen. Man sagt der Mischung auch nach, dass sie den Geist belebt und den Körper stärkt. Vielleicht ist genau dies der Grund, warum es den Mapuche als einziges indigenes Volk Amerikas über lange Zeit hinweg gelungen, sich der Kolonisation durch die Spanier zu entziehen und ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Heute ist Merkén in ganz Chile beliebt und findet oft wie Pfeffer für fast alle Arten von Mahlzeiten Verwendung.

Das Gewürz ist auch in der hiesigen Küche vielseitig einsetzbar und verfeinert zahlreiche Gerichte. Es eignet sich insbesondere zum würzen von Kartoffeln, Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch. Aber auch für Pasta, Salate und Saucen ist es bestens geeignet. Unser Produkt ist von bester Qualität und wird nach traditioneller Methode in kleinen Mapuche-Familienbetrieben in der Araucanía-Region Chiles hergestellt.

In unserem Webshop kann man das Gewürz im praktischen Streuer oder im Stehbeutel ab sofort bestellen!

 

 

Arbeiten in Nordkorea – Ein Erlebnisbericht

Sowohl Andreas als auch ich haben während unserem Studium ein Praktikum im Ausland absolviert. Organisiert wurde dies durch die Vermittlungsstelle IAESTE. Diese Organisation vermittelt Praktikumsplätzte für angehende Ingenieure und Naturwissenschaftler in über 60 Ländern. Im letzten Jahr wurde erstmals ein Praktikum in Nordkorea ausgeschrieben. Leider haben wir unser Studium schon länger abgeschlossen und durften uns daher nicht mehr bewerben. Dennoch hat es mich brennend interessiert, wie ein solches Praktikum abläuft, wie der Arbeitsalltag aussieht und was man von Land, Leuten sowie der Kultur mitbekommt.

Ich habe mich daher mit Christof Rutishauser getroffen, welcher im Herbst 2014 für drei Monate genau dieses Praktikum absolviert hat. Es folgen einige Anekdoten und Erlebnisse, welche mir Christof während unserem Gespräch erzählt hat.

Universität & Arbeit

Christof hat sein Praktikum an der Pyongyang University of Science and Technology (PUST) in der Hauptstadt Pjöngjang absolviert. Die Schule wurde von einem Koreaner gegründet, welcher während dem Krieg in die USA ausgewandert ist. Später hat er in China eine Universität gegründet, welche sehr erfolgreich wurde. Daraufhin wurde er von Nordkorea gebeten, im eigenen Land ebenfalls eine Uni zu eröffnen. Die Schule ist nun seit 2010 in Betrieb und im letzten Jahr haben die ersten Bachelor-Studenten erfolgreich abgeschlossen. Ja, es gibt an dieser Schule ein normales Bachelor/Master-System, wie wir es hierzulande auch kennen. Es wird ebenfalls nachgedacht, ein PhD-Programm einzuführen. Die meisten Dozenten an der Schule sind Ausländer, darunter viele Südkoreaner, welche in den USA leben und jeweils für die Vorlesungszeit an der Uni unterrichten.

Der Unterricht findet auf Englisch statt, was laut Christof auch der Hauptgrund ist, warum die Schüler an dieser Uni studieren wollen. Viele wollen Englisch lernen, da sie wissen, dass dies die Weltsprache ist und man sich viel Wissen aneignen kann, wenn man sie beherrscht. Neben Englisch wird auch noch Chinesisch unterrichtet. Einige Schüler erlernen zudem im Selbststudium Sprachen wie Spanisch oder Deutsch.

Was machen die Schüler nach einem erfolgreichen Abschluss der Schule, wollte ich von Christof wissen. Wie auf viele Fragen hatte Christof keine abschliessende Antwort darauf erhalten.

Vergleichbar ist der Abschluss mit einem Schweizer Bachelor-Titel besonders in theoretischen Bereichen. Praktisch sind die Studenten nicht so solide ausgebildet. Dies ist sicher auf den Mangel an Infrastruktur (Labor, PCs, etc.) zurückzuführen. Beginnen tut dies schon beim regelmässigen Stromausfall an der Schule.

Ein grosser Unterschied zwischen Studenten in Nordkorea und den hiesigen ist auch die Motivation. Jeder sei sehr motiviert und mit vollem Engagement dabei, so Christof. Jeder wollte sich als erstes auf eine Frage melden – das Konzept ‚Hand heben um sich zu melden‘ versagte. Es ist nicht bekannt und wird schlicht übergangen. Generell sind die Schüler sehr wissbegierig und Fragen wurden auch weit in die Mittagspause hinein gestellt. Was sind die Gründe dafür, wenn es doch gar keine Karriereplanung gibt? Christof erzählte mir von der Wall of Fame im Eingangsbereich der Schule. Es handelt sich dabei um eine Wand, auf welcher die Portraits und Namen jener Schüler publiziert werden, die einen gewissen Schnitt erreichen. Für viele ist es erstrebenswert, auf dieser Liste zu erscheinen.

Auch ausserhalb der Fächer sind die Schüler sehr interessiert. So wurde Christof regelmässig über die Schweiz ausgefragt. Die Schüler scheinen generell viel über die Geographie der Welt zu wissen: Sie kennen jedes Land, die Hauptstädte und wissen, welche Sprache wo gesprochen wird.

Hat man viel Freizeit als Student? Nein. Die Schüler waren und wurden ständig beschäftigt. Sie hatten bis zu vier Doppellektionen Unterricht pro Tag. Danach gingen sie der Social Study (siehe unten) nach oder mussten typische kommunistische Fronarbeiten erledigen wie Wege bauen oder Bäume pflanzen.

Wall of fame

Wall of Fame

Christofs Alltag war geprägt von Unwissenheit, Gerüchten, Strom- und Wasserausfällen. Dies erschwerte natürlich die Vorbereitung der Lektionen und das Korrigieren der Prüfungen. So wurde Christofs Improvisationsfähigkeit immer mal wieder herausgefordert.

Eine typische Mahlzeit an der Uni

Eine typische Mahlzeit an der Uni

Die Menschen

Christof konnte Dank gemeinsamen Mittagessen, Fussballspielen an den Wochenenden die Schülern näher kennenlernen. Grundlegende Diskussionen zu führen, war aber nicht möglich – man liess sich nicht darauf ein. In der Mittagspause konnte er zwar mit den Schülern essen (und jegliche Fragen beantworten), jedoch waren immer mindestens zwei Schüler anwesend, niemals einer alleine. Wollte ein Schüler mit dem Lehrer eine schulische Frage klären, musst dieser zuerst einen Mitschüler ausfindig machen, welcher Gesellschaft leisten würde. Diese Regel wurde zwar nie so kommuniziert, war jedoch nicht zu übersehen.

Auf die Frage, ob er einen authentischen Einblick in die Kultur erhalten hat, fand er keine Antwort. Er wisse es nicht. Er konnte sich auf und neben dem Campus zwar frei bewegen, jedoch wurde er beim Verlassen des Uni-Geländes stets von einem Fahrer und Aufpasser begleitet – offiziell zu seiner eigenen Sicherheit. Er musste jeweils anmelden, wenn er weggehen wollte.

Und wie ist die Einstellung der Menschen gegenüber den USA? Es gab in den Läden für Ausländer natürlich internationale Produkte zu kaufen – auch solche, die in den USA hergestellt wurden. Jedoch wurde bei diesen Produkten das Herstellungsland auf der Verpackung mit einem schwarzen Stift übermalt, damit man die Herkunft nicht mehr erkennen konnte. Die Regierung hat auch ihre Geschichte mit den USA umgeschrieben. In der Nordkoreanischen Version greift die USA Korea an, um das Land einzunehmen. Das starke Nordkorea konnte die USA jedoch in die Knie zwingen und einen Friedensvertrag aushandeln. Nordkorea ist somit das einzige Land auf dieser Welt, dem dies jemals gelang! Der Friedensvertrag wird an der Grenze zu Südkorea ausgestellt – neben der UN Flagge. Warum es da überhaupt eine UN Flagge gibt? Laut der Regierung wurde diese Flagge gehisst, weil es den USA zu peinlich war, ihre eigene Flagge hinzustellen. An der Universität hingegen war von all dem nichts zu spüren.

In Pjöngjang gibt es eine lebendige Expat-Szene. Die Expats bestehen hauptsächlich aus NGO-Mitarbeitern, Diplomaten und Angehörigen zahlreicher Botschaften. Im Diplomatenviertel gibt es alles, was das westliche Herz begehrt: Convenience stores, Pizzerien, Burger joints und Touristen-Hotels mit Swimming pool.

Eine Strasse in Pjöngjang

Eine Strasse in Pjöngjang

 

Weltanschauung & Propaganda

Christof vergleicht den Kommunismus und die Führung in Nordkorea wie eine Art Religion. Damit lässt ich vieles erklären: Das Verhalten der Regierung, die Akzeptanz im Volk, der Kult.

Das ganze Land strotzt übrigens von Monumenten. An zahlreichen Strassenkreuzungen stehen diese. Es geht dabei natürlich sehr häufig um die drei Führer. Aber auch ein anderes Thema ist omnipräsent: Die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea. So heisst der grosse Markt in der Hauptstadt ‚Tong Il Market‘  (Tong Il heisst soviel wie Wiedervereinigung auf Koreanisch), Tong Il ist auch die grösste Strasse in Pjönjang und der Fluss heisst ebefalls Tong Il. Die Wiedervereinigung scheint ein Anliegen und das erklärte Ziel zu sein – dies war auch Kim Il Sung’s letzter Wille. Selbstverständlich soll dabei der Kommunismus aber nicht aufgegeben werden.

Die Propaganda ist zentraler Bestandteil des Tagesablaufs – auch in der Schule. In der unterrichtsfreien Zeit haben die Schüler häufig sogenannte ‚Social Studies‘. Dieser Unterricht findet in einem abgesonderten Gebäude mit dem Orwell’schen Namen ‚Ideology Center‘ statt und wird nur von Nordkoreanischen Lehrern unterrichtet. Fast jeden Tag sind die Schüler dort. Was im Ideology Center genau geschieht wusste Christof nicht. Darüber wurde nicht gesprochen. Selbst wenn man die Schüler direkt gefragt hat, hat man keine Antwort erhalten. Die Frage wurde ignoriert, man ist ihr ausgewichen oder hat sie mit einem beschämten Lächeln erwidert.

Propaganda: Das Volk und die Wiedervereinigung steht über Allem

Wandmalerei in der U-Bahn

Eindrücke

Zusammenfassend meint Christof, dass vieles undurchsichtig sei. Man sieht einiges, jedoch bleiben Fragen nach dem ‚Wieso‘ und ‚Warum‘ unbeantwortet. Man erhält auf kaum etwas eine Antwort und wenn doch, ist man sich nie sicher, ob es zur Propaganda gehört oder nicht. Sein Bild über Nordkorea habe sich für ihn aber schon ein bisschen verändert, so Christof.

Er meint, dass das Bild von Nordkorea, welches uns hier durch die Medien vermittelt wird, auch mit Vorsicht zu geniessen sei. Es werden viele Klischees bedient, die wir hören und sehen wollen. Er meint, dass man mit Bedacht auswählen soll, was man glauben möchte. Auch sei die Wahrheit oft eine Frage der Sichtweise auf die Dinge.

Die normalen Leute in der Hauptstadt, die Studenten, die Fahrer und Aufpasser sind so wie wir auch. Sie kämpfen mit ihren alltäglichen persönlichen Problemen und Sorgen wie Menschen überall auf der Welt.

Das Ryugyong Hotel: Ein eindrückliches Wahrzeichen in Pjöngjang

Das Ryugyong Hotel: Ein eindrückliches Wahrzeichen Pjöngjangs

Christof hat während seinem Aufenthalt einen spannend Blog geführt. Ihr könnt weitere Details zu seinen Erlebnissen  hier nachlesen und auch weitere Bilder sehen.

 

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