Um Neues zu entdecken muss man nicht zwangsläufig weit reisen. Dass auch die eigene Stadt interessante und unbekannte Ecken bietet, zeigte die erste Auflage der neuen Beyond Travel Veranstaltungsreihe “Beyond Zürich”: In einer kleinen Gruppe machten wir uns auf, an einem verregneten Samstagabend die Weststrasse zu erkunden. Die Strasse war bis Mitte 2010 einer der meistbefahrenen Durchgangsstrassen Zürichs und galt als ausgesprochen unattraktive Wohnlage. Seit der Beruhingung und Umgestaltung hat sich der Charakter jedoch rasch verändert – die Weststrasse hat heute viel zu bieten und vereint die unterschiedlichsten Geschäfte und Besucher.
Angefangen haben wir im sympathischen und schön eingerichteten Café Salon nahe des südlichen Endes der Strasse, wo der gute Kaffee wärmt und man sich auch am Büchergestell bedienen kann oder sich an Klassikern der französischen Küche gütlich tun kann. Von dort aus folgten wir dem Verlauf der Strasse nordwärts, mit ein paar kurzen Abstechern links und rechts. Zu bestaunen gibt es die unterschiedlichsten Schaufenster, vom klassischen Antiquariat über das Spezialgeschäft für Armeeartikel und einer Töpferei bis zum Hipster-Veloladen. Auch ein grosser asiatischer Supermarkt und ein auf futuristische Urnen spezialisiertes Geschäft sind zu finden. Als Vertreter der etwas schummrigeren Vergangenheit des Quartiers trotzen zwei Sex-Lokale der kaum aufzuhaltenden Gentrifizierung.
Einen Aperitiv mit Käseplättchen gönnten wir uns in der Buvette Philipp, die als klassisch-französiche Bar im alten Stil daherkommt – die belle époque lässt grüssen. Das kulinarische Angebot der Weststrasse beschränkt sich jedoch keineswegs auf die drei, vier französischen Lokale: Man kann hier auch vorzüglich äthiopisch, japanisch oder chinesisch speisen, einen libanesichen oder iranischen Imbiss zu sich nehmen oder in einer modern-urbanen Bar einen Drink geniessen. Aber auch eifachere Beizen, eine nüchterne Pizzeria oder eher zwielichtige Spelunken sind zu finden. Wir entschieden uns für die tessiner Gaststube Büscion und wurden nicht im geringsten enttäuscht: Vorzügliche tessiner Küche und typische Weine, aber auch neue Entdeckungen werden hier kredenzt. Nur schade, dass wir dann bereits zu satt für die Desserts waren…
Aber noch eine weitere Besonderheit fällt dem Besucher der Weststrasse auf: Die zahlreichen Männer und Knaben in schwarzen Mänteln, eigentümlichen Hüten und Zapfenlocken. Wir sind hier mitten in Zürichs jüdischem Zentrum. So bietet denn auch schräg gegenüber der Agudas Achim Synagoge der Supermarkt Koscher City ausschliesslich Waren an, die den strengen jüdischen Lebensmittelregeln genügen.
In der Tat, man muss nicht weit reisen um neue Perlen zu entdecken. Die Weststrasse ist genau einer dieser Orte. Wir waren bestimmt nicht das letzte Mal hier und freuen uns auch schon auf die nächste Entdeckungsreise vor unserer Haustüre.